Zukunft

Auf dem Weg zum nachhaltigen Labor

5 min Uwe Rempe

Wie man Laborarbeit zukunftsgerecht aufstellt

Nachhaltigkeit ist ein zentrales Thema in vielen Bereichen unseres Lebens geworden. Das Ziel ist es, Ressourcen zu schonen, die Umwelt zu schützen und eine lebenswerte Zukunft für kommende Generationen zu gewährleisten. Im Zuge dieses grünen Wandels stellen immer mehr Unternehmen ihre Produktion auf umweltfreundlichere Verfahren um. Doch wie sieht es in Sachen Nachhaltigkeit eigentlich in der Life Science Community aus? Nun, leider (bisher) nicht so rosig.

Tatsächlich gehört die Biotech- und Pharmabranche zu den kohlenstoffintensivsten Industriezweigen der Welt [1]. Das Problem sind vor allem die Labore und ihre Lieferketten. Laborräume verbrauchen die vierfache Menge an Wasser und 10-mal mehr Energie als ein typisches Büro [2]. Schon ein einziger Tiefkühlschrank, der Proben auf 80 °C kühlt, benötigt jährlich so viel Energie wie ein Einfamilienhaus [3].

Neben dem erhöhten Energiebedarf produzieren Labore außerdem enorme Mengen an gefährlichem Abfall und Plastik. Eine Studie aus dem Jahr 2015 schätzt, dass akademische Forschungslabore für zwei Prozent des weltweiten Plastikmülls verantwortlich sind – wenn man dann noch Test- und klinische Labore mit einbezieht, wird das Ausmaß des Problems katastrophal [4].

Es ist also eindeutig: In Sachen Nachhaltigkeit gibt es in der Forschung und Entwicklung dringenden Nachholbedarf. Wie können Sie Ihren Beitrag leisten und Ihre Arbeit im Labor umweltfreundlicher gestalten? Wir machen einige Vorschläge rund um das Thema Nachhaltigkeit im Labor. Lassen Sie sich inspirieren!

Wie der Energieverbrauch im Labor gesenkt werden kann

Labore verbrauchen sehr viel Energie für Beleuchtung, Heizung, Kühlung und den Betrieb von Geräten, die oft durchgängig laufen und selten abgestellt werden. Durch den Einsatz energieeffizienter Beleuchtungssysteme wie LEDs, Wärmedämmung und energiesparender Geräte kann der Energieverbrauch erheblich reduziert werden. Bei der Neuanschaffung von Geräten und Labortechnik sollte also die Energieeffizienz im Fokus stehen. Auch grundlegende Maßnahmen, wie das Ausschalten von Licht und Geräten, wenn sie nicht benutzt werden, haben erhebliche Auswirkungen [5].

Allein die Erhöhung der Temperatur von -80 °C auf -70 °C bei Tiefkühlschränken kann den Energieverbrauch drastisch senken und hat bis zu 40 % Einsparpotential [6]. Mehrere Publikationen haben bereits gezeigt, dass eine Gefriertemperatur von -80 °C in der Regel nicht notwendig ist und dass die Lagerung bei „höheren“ Temperaturen für Proteine oder Mikroorganismen keinen Unterschied macht [7]. Weitere große Energiefresser im Labor sind die Abzüge: Eine Abzugshaube verbraucht so viel Energie wie drei Häuser! In Abhängigkeit davon, ob die Frontscheibe geschlossen, halb geschlossen oder offen ist, werden 200, 400 bzw. 600 Kubikmeter Luft pro Stunde ausgetauscht [8]. Durch regelmäßiges Schließen der Abzüge lassen sich die durchschnittlichen Luftwechselraten deutlich senken und der Verbrauch wird um ein Drittel reduziert [1].

Wie Abfallreduzierung geht

Die Abfallproduktion eines Labors und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Umwelt sind enorm: Es fallen jährlich 5,5 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle an! Wenn man nur 2% der Kunststoffabfälle aus dem Labor von der Mülldeponie abziehen würde, entspräche dies einer Einsparung von 100 Millionen Tonnen CO2 [9].

Ein effizientes und nachhaltiges Abfallkonzept ist in jedem Labor ein Muss! Hier beginnt die Nachhaltigkeit schon bei den vielen kleinen Laborutensilien: So können beispielsweise viele Verbrauchsmaterialien wie Tubes und Pipettenspitzen aus fossilem Plastik durch entsprechende Produkte aus biobasierten oder recycelten Kunststoffen ersetzt werden. Außerdem kann der Plastikmüll durch mehrfaches Verwenden von Wegwerfartikeln reduziert werden [3].

Nachhaltige Verpackungen sind ebenfalls im Markt.Ein weiteres großes Problem stellen die flüssigen Chemikalienabfälle in Laboren dar. Hier lohnt sich der Trend zur Miniaturisierung: Führen Sie Ihre Analytik in Geräten im Mini-Format durch und verarbeiten Sie Proben im Mikroliter-Bereich oder darunter. Durch einen sparsamen Einsatz werden weniger Reagenzien verbraucht und Abfälle reduziert [3]. Außerdem sollten Sie prüfen, ob sich umwelt- oder gesundheitsschädliche Substanzen durch unbedenklichere Chemikalien ersetzen lassen. Der Umstieg von giftigen Stoffen auf umweltfreundlichere Alternativen trägt zur Erhaltung der Ökosysteme bei und verringert das Risiko für Mensch und Tier [5].

Ein Labor ist durstig – Tipps zum Wassersparen

Dass Labore auch noch einen enormen Wasserverbrauch haben, ist für einige vielleicht etwas überraschend. Doch tatsächlich gehen 40% der universitären Wasserrechnung zu Lasten der Laborräume [10]. Waschanlagen, Autoklaven, deionisiertes Wasser und Single-Pass-Kühlsysteme tragen alle zum erheblichen Wasserbedarf vieler Labore bei. Zum Beispiel kann ein Autoklav bis zu 230 Liter Wasser pro Zyklus verbrauchen [9]! Geeignete Strategien für einen sparsamen Umgang mit Wasser müssen also in einem grünen Labor unbedingt berücksichtigt werden.

Es ist wichtig, bei den Autoklaven auf die richtige Art, Größe und auf Energie- und Wassereffizienz zu achten. Außerdem sollte man keinen Autoklaven laufen lassen, um eine einzelne Schachtel mit Pipettenspitzen zu sterilisieren. Ein weiteres Problem stellt die Single-Pass-Kühlung dar, bei der Wasser zur einmaligen Kühlung verwendet wird. Wer dieses verschwenderische System aus seinen Arbeitsläufen streicht und stattdessen auf nachhaltigere Alternativen, wie beispielsweise Wasserumlaufbäder, umsteigt, kann jedes Jahr Hunderttausende Liter Wasser einsparen.

Und noch ein hilfreicher Tipp: Installieren Sie Strahlregler an den Wasserhähnen in Ihrem Labor. Ein typischer Wasserhahn hat einen Durchfluss von bis zu 20 Litern pro Minute. Mit einem Strahlregler kann der Durchfluss auf unter 5 Liter pro Minute reduziert werden. So können ganz simpel 300.000 bis 900.000 Liter Wasser pro Jahr eingespart werden [9]!

Kennzeichnungen für nachhaltige Laborprodukte

Der grüne Wandel findet nicht nur in den Laboren statt – auch Unternehmen, die Labore unterstützen, entwickeln und verpacken ihre Produkte mit Blick auf die Nachhaltigkeit. Die Möglichkeiten, die Umweltauswirkungen von Laboren durch intelligentere Einkäufe zu verringern, sind enorm. Bei der Suche nach nachhaltigeren Produkten für Ihr Labor helfen eine Reihe von verschiedenen Labeln, darunter das Energy Star- und das ACT-Label. Das Energy Star-Label ist eine Kennzeichnung für den Energieverbrauch, die von der US-Umweltschutzbehörde und dem US-Energieministerium eingeführt wurde, um Geräte zu kennzeichnen, die bestimmte Stromsparkriterien erfüllen [2]. So muss sich beispielsweise ein eingeschaltetes Gerät oder eine eingeschaltete Komponente nach einer gewissen Zeit zurückschalten [11].

Das ACT-Label ist eine Kennzeichnung, die Laborprodukte auf der Grundlage der Umweltauswirkungen ihrer Herstellung, ihres täglichen Gebrauchs und ihrer Entsorgung vergleicht. ACT steht für Verantwortlichkeit (Accountability), Konsistenz (Consistency) und Transparenz (Transparency) [9]. Das Label wurde von der Non-Profit-Organisation My Green Lab entwickelt und war das erste Nachhaltigkeitssiegel für Laborprodukte. Ähnlich dem Nutri-Score für Lebensmittel zeigt es, wie das Produkt in verschiedenen Nachhaltigkeitskategorien (darunter Herstellung, Energie- und Wasserverbrauch, Verpackung und Innovation) abschneidet, wobei eine Punktzahl von 1 für die geringste und eine Punktzahl von 10 für die höchste Umweltbelastung steht [12].

Wie Ihr Labor offiziell zum Green Lab wird

Sind Sie bereit, den nächsten Schritt in Richtung Green Lab zu gehen? Dann sollten Sie über die My Green Lab-Zertifizierung nachdenken. Diese Zertifizierung ist offiziell von der Race to Zero-Kampagne der Vereinten Nationen als wichtiger Maßstab für den Fortschritt auf dem Weg zu einer kohlenstofffreien Zukunft anerkannt und gilt weltweit als Goldstandard für die Best Practices im Bereich der Nachhaltigkeit in Laboren. My Green Lab hat bislang über 2.000 Labore auf dem Weg zu nachhaltigen Veränderungen unterstützt. Dabei deckt das Programm 14 verschiedene Bereiche ab, darunter Energie, Wasser, Abfall, Chemikalien/Materialien und Tierversuche.

Es gibt fünf Zertifizierungsstufen: Bronze, Silber, Gold, Platin und Grün. Welche Zertifizierungsstufe das Labor erhält, ist abhängig von der Punktzahl in der Zertifizierungsbewertung. Hier fließen sowohl der prozentuale Anteil der übernommenen möglichen Best Practices für grüne Labore mit ein als auch das Ausmaß, in dem sie vom Labor übernommen wurden [9].

Jetzt sind Sie gefragt!

In vielen Laboren herrscht der weit verbreitete Irrglaube vor, dass das Praktizieren von Nachhaltigkeit den wissenschaftlichen Prozess beeinträchtigen oder die Ergebnisse verschlechtern würde. Ganz im Gegenteil: Viele der Empfehlungen sparen nicht nur Ressourcen, sondern verbessern auch die Effizienz der Forschung selbst [1]! Darüber hinaus kann eine nachhaltige Arbeitsweise im Labor zu wirtschaftlichen Vorteilen führen, da weniger Ressourcen benötigt und Abfallentsorgungskosten gesenkt werden können [5]. Wissenschaft und Nachhaltigkeit sollten sich nicht im Widerspruch befinden. Deswegen ist Ihr und unser Engagement für eine nachhaltige Wissenschaft gefragt: Machen Sie Ihr Labor fit für die Zukunft!

 

 

Quellen:

[1] https://theanalyticalscientist.com/techniques-tools/the-2050-lab-of-the-future-sustainability, 24.04.2024

[2] https://www.fishersci.de/de/de/scientific-products/publications/lab-reporter/2022/issue-1/strategies-for-a-more-sustainable-lab.html, 24.04.2024

[3] https://analytica.de/de/entdecken/branchen/nachhaltigkeit-im-labor/, 24.04.2024

[4] MA Urbina, AJR Watts, and EE Reardon. Labs should cut plastic waste too. Nature. 528, 479 (2015).

[5] https://www.omnilab.de/einfuehrung-in-die-nachhaltige-laborpraxis/, 24.04.2024

[6] https://www.omnilab.de/energieeinsparung-im-labor-die-freezer-challenge/, 24.04.2024

[7] https://www.ed.ac.uk/sustainability/programmes-and-projects/sustainability-innovation-leadership/reducing-carbon-and-waste/laboratories/cold-storage, 24.04.2024

[8] https://www.fu-berlin.de/sites/nachhaltigkeit/handlungsfelder/Nachhaltigkeit-im-Arbeitsalltag/Rund-um-Labore/index.html, 24.04.2024

[9] https://www.mygreenlab.org/, 24.04.2024

[10] https://www.laborjournal.de/rubric/methoden/methoden/v152.php, 24.04.2024

[11] https://de.wikipedia.org/wiki/Energy_Star, 24.04.2024

[12] https://www.buerkle.de/de/wissenswertes/produktinformationen/probenehmer/act-produkte, 24.04.2024

 

 

Die Autorin

Emily Locke ist studentische Mitarbeiterin im LSR-Mitgliedsunternehmen Biomol GmbH.

Neuveröffentlichung des Artikels des Biomol-Blogs mit freundlicher Genehmigung der Biomol GmbH.