Forschung

Die geheimnisvolle Welt der Pflanzendüfte

5 min Tanja Kreienbaum

Teilweise geöffnete Titanwurz Image by passion4nature

Wie Pflanzen verführen und ihren Willen durchsetzen können

Wenn es um Pflanzendüfte geht, vergessen wir oft, dass wir Menschen nicht das Zielpublikum der Pflanzen sind und die Düfte nicht für uns entworfen wurden. Im Grunde sind wir nur passive Zuschauer einer Show, die viele von uns glücklicherweise genießen dürfen. Im vergangenen Frühjahr bot Mutter Natur eine solche Show in den Olbrich Botanical Gardens in Madison (Wisconsin).

Zum ersten Mal seit etwa 12 Jahren blühte in Olbrich im Mai 2022 eine der vier riesigen Titanwurz (Amorphophallus titanum). Ein Ereignis, das normalerweise nur 24-48 Stunden am Stück und insgesamt nur vier bis fünf Mal während der etwa 40-jährigen Lebensdauer dieser Pflanze auftritt. Hunderte von Pflanzenliebhabern und hoffnungsvollen Schaulustigen standen stundenlang Schlange, um einen Blick und einen Hauch der stechend riechenden Pflanze zu erhaschen.

Bis es zu solchen seltenen Ereignissen kommt, kann man leicht vergessen, wie interessant und komplex Pflanzen wirklich sind. Wir romantisieren Blumen, geben ihnen eine Bedeutung und erfreuen uns an ihrem süßen Duft, während wir die komplizierten biologischen und chemischen Prozesse, die die Wissenschaft des Blumendufts ausmachen, oft völlig übersehen.

Was verbirgt sich dahinter?

Pflanzen nutzen den Duft als lebenswichtiges Instrument, um die gleichen grundlegenden Ziele wie die meisten Lebewesen auf der Erde zu erreichen: sich fortzupflanzen und nicht gefressen zu werden. Die Produktion von Duftstoffen kann ihnen helfen, beide Ziele zu erreichen, indem sie Bestäuber anlocken und Schädlinge oder Fressfeinde abschrecken.

Sowohl Blumen- als auch Fruchtdüfte sind flüchtige organische Verbindungen (VOC; volatile organic compounds), ein komplexes Gemisch von Verbindungen mit niedrigem Molekulargewicht, die von Pflanzen freigesetzt werden und sich leicht in der Luft verflüchtigen und verteilen. Wie alle organischen Verbindungen haben VOCs ein Kohlenstoffkettengerüst. Die Länge des Kohlenstoffgerüsts und andere mit der Kette verbundene Atome beeinflussen die Geruchsunterschiede bei VOCs. So tragen zum Beispiel Schwefelatome, die an die Kohlenstoffketten von Aasblumen gebunden sind, zu den charakteristischen Variationen des fauligen Geruchs bei.

In den letzten Jahren hat die biochemische Forschung auch das Wirken von Aminosäuren in der Pflanzenphysiologie und im Pflanzenstoffwechsel untersucht, insbesondere ihr Mittun bei der Produktion von flüchtigen Duftstoffen. Neben ihrer Rolle als Vorläufer von Pflanzendüften sind aromatische Aminosäuren wie Tryptophan auch grundlegende Bausteine für die Proteinproduktion in tierischen Zellen. Die Untersuchung der Methoden und Verfahren der Dufterzeugung durch Pflanzen bietet somit auch Einblicke in die Entstehung von Molekülen, die für das Leben von Mensch und Tier unerlässlich sind.

Attraktivität ist subjektiv

Was macht einen Duft attraktiv? Es dürfte nicht überraschen, dass verschiedene Bestäuber, genau wie Menschen, unterschiedliche Vorlieben haben und von verschiedenen Geschmäckern, Farben und natürlich Düften angezogen werden. Die meisten ihrer Duftvorlieben lassen sich (unwissenschaftlich) in die folgenden Gruppen einteilen: Süß und blumig, frisch und würzig sowie faulig und verdorben.

Süß und blumig

Wenn wir an den Duft einer Blume denken, kommt uns im ersten Moment vielleicht der süße Duft von Rosen, Lilien oder Pfingstrosen in den Sinn. Diese eher süßlichen Düfte, die in den Blütenblättern dieser Blumen entstehen, werden von Schmetterlingen, Hummeln, Kolibris und Honigbienen bevorzugt und aufgesucht.

Süß duftende Pflanzen haben häufig leuchtend bunte Blüten, die als schillernde Reklame dienen, um die Aufmerksamkeit vorbeifliegender Bestäuber zu wecken. Blumen, die diese Bestäuber anlocken, verströmen ihren Duft in der Regel tagsüber, während Blumen, die nachtaktive Bestäuber wie Motten und Fledermäuse anlocken, ihren Duft in der Regel nachts verströmen.

Statt bunter Blüten haben Pflanzen wie die Drachenfrucht, der nachtblühende Cereus und der Saguaro-Kaktus große weiße Blüten, die sich nachts öffnen und ihren starken, parfümartigen Duft verströmen. Die weiße Färbung der Blütenblätter verleiht diesen Blumen außerdem eine Art leuchtende Erscheinung, die ihren nachtaktiven Bestäubern die Orientierung erleichtert.

Frisch und würzig

Die meisten Menschen, die gerne im Garten arbeiten oder zu Hause kochen, kennen den frischen, belebenden Duft, der an unseren Händen haftet, wenn wir Mitglieder der Familie der Lippenblüter (Lamiaceae) wie Basilikum, Minze, Rosmarin oder Lavendel anfassen. Viele dieser Arten enthalten ätherische Öle, die über winzige Drüsenhaare auf der Blattoberfläche abgesondert werden. Wenn sich die Öle ansammeln, schwellen die Härchen an und geben ihren Duft sehr leicht ab, sobald sie vom Wind gestreift oder die Blätter berührt werden. Das erklärt den anhaltenden Duft auf der Haut nach dem Pflücken oder Schneiden frischer Kräuter.

Die Düfte, die von ihnen ausgehen, reichen von minzig bis bitter, von frisch bis scharf und können dazu beitragen, die Pflanze vor Fressfeinden und Schädlingen zu schützen. So soll zum Beispiel das bittere Aroma einiger Kräuter Schnecken, Blattläuse oder andere, größere Tiere abwehren. Salbei, Rosmarin und Thymian schrecken vermutlich einige Kaninchenarten ab, während Lauchgewächse wie Knoblauch Eichhörnchen abwehren sollen.

Faulig und verdorben

So wie das alte Dating-Sprichwort besagt, "Jeder Topf findet seinen Deckel", scheint es auch für jeden Bestäuber einen passenden Duft zu geben. Fliegen und Käfer wachsen und gedeihen häufig unter übelriechenden Bedingungen und werden daher oft von Pflanzen und Blumen angezogen, deren Geruch an verrottendes Fleisch oder Exkremente erinnert. Das bringt uns zurück zu unserem Titanwurz. Mit seinem dunkelrot gefärbten Inneren und seinem fauligen Geruch imitiert er ein totes Tier, um fleischhungrige Bestäuber zu seinen weiblichen Blüten zu locken.

Etwa 43 weitere Arten gehören der Gattung der Aasblumen (Stapelia) an. Sie sehen aus wie botanische Schreckgespenster aus der Jurazeit - ebenso schrecklich riechen sie, mit dem Ziel, weiterhin Bestäuber anzulocken.

 

Quellen:

Die Autorin 

Natalie Larson ist Wissenschaftsautorin bei Promega Corporation.

Neuveröffentlichung des Artikels auf Promega Connection und übersetzt aus dem Englischen mit Genehmigung der Promega Corporation.