Zell- und Gentherapie

Digitale PCR

3 min Carolin Schächterle

Die digitale Welt hält Einzug in die PCR

Die digitale PCR ist eine Weiterentwicklung der Polymerase-Kettenreaktion (PCR). PCR ist die enzymatische Vervielfältigung von Nukleinsäuren im Reagenzglas. Die SARS-CoV-2-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig diese Methode ist. Im Unterschied zur Real-Time-PCR wird bei der digitalen PCR (dPCR) die Untersuchungsprobe in Tausende von einzelnen Reaktionen (Partitionen) unterteilt, so dass jede Reaktion nur eine geringe Zahl an DNA- oder RNA-Molekülen des gesuchten Zielmoleküls enthält. In jeder Reaktion läuft die PCR unabhängig ab. Entweder hat eine Partition ein Farbsignal und ist damit positiv (1) oder sie hat kein Farbsignal und ist negativ (0). Diese Zuordnung nach dem 1/0-Prinzip prägte den Namen digitale PCR. Aus dem Verhältnis der positiven und negativen Partitionen kann die absolute Zahl der Zielmoleküle berechnet werden. Das ist einer der großen Vorteile der digitalen PCR. 

Vielfältige Relevanz für die Gesellschaft 

Es gibt Situationen, in denen Forscherinnen und Ärzte die Stecknadel im Heuhaufen finden müssen, um wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen oder die bestmögliche Therapie anwenden zu können. In der Medizin (Krebsforschung oder die innovativen Zell- und Gentherapien, GCT), der Lebensmittelüberwachung (gentechnisch veränderte Organismen, Allergene) oder im Umweltmonitoring (Erreger im Abwasser) geht es darum, sehr geringe Mengen eines Zielmoleküls bei einer großen Anzahl von Hintergrundmolekülen präzise zu quantifizieren. 

Krebsforschung und Therapie: Seit der Erkenntnis, dass eine Vielzahl von Tumoren DNA-Fragmente ins Blut oder andere Körperflüssigkeiten abgeben und dort als zirkulierende Tumor-DNA (ct-DNA) Aufschluss über das Tumorgeschehen geben können, werden vermehrt die sogenannten Flüssigbiopsien (liquid biopsies) eingesetzt.  Der Patient gibt eine Blut-, Speichel- oder Urinprobe zur Untersuchung ab und erspart sich dadurch aufwändige und teilweise gefährliche und teure Gewebebiopsien. Die digitale PCR kann hier deutlich schnellere Befunde bringen als dies durch andere Verfahren möglich wäre und zu besseren Prognosen und Therapieentscheidungen verhelfen. Auch für das Langzeitmonitoring zur Therapiekontrolle bei Tumorerkrankungen ist die digitale PCR einsetzbar. 

Zell- und Gentherapie: In der Zell- und Gentherapie werden sehr häufig virale Vektoren eingesetzt, die therapeutische Gene beinhalten. Für den Erfolg der Therapie ist eine sehr exakte Quantifizierung der wirksamen Viren erforderlich um eine exakte, definierte Dosis für Patientinnen und Patienten anwenden zu können.  Die digitale PCR eignet sich außerordentlich gut für diese Quantifizierung. Da GCT in lebenden Zellen hergestellt werden, müssen sie auch sehr empfindlich auf mögliche Kontaminationen (Viren, Bakterien) oder Wirtszell-DNA getestet werden, um ein sicheres Medikament zu gewährleisten. Auch hierfür setzen sich die Vorteile der digitalen PCR gegenüber alternativen Methoden zunehmend durch. 

Umweltmonitoring, Abwasseranalytik: Proben aus der Umwelt enthalten oft Hemmstoffe, die die PCR negativ beeinflussen. Diese Problematik wird bei der digitalen PCR durch die Aufteilung auf Tausende von Reaktionen minimiert. Die Abwasseranalytik ist hierfür ein aktuelles Beispiel. Mit Hilfe der digitalen PCR lassen sich Erreger wie SARS-CoV-2 im Abwasser ca. 5–10 Tage früher nachweisen und quantifizieren als in klinischen Proben. Sowohl symptomatisch als auch asymptomatisch erkrankte Personen scheiden Viren ins Abwasser aus. Somit kann durch die Verwendung der digitalen PCR in der Abwasseranalytik das Infektionsgeschehen und die Verbreitung von Virusvarianten innerhalb der Bevölkerung sehr gut abgebildet werden.  

Lebensmittelüberwachung: Die dPCR eignet sich hervorragend, um Spuren von gentechnisch modifizierten Organismen (GVOs), Allergenen oder Pathogenen in Lebensmitteln sicher und hochsensitiv nachzuweisen. 

Blick in die Zukunft  

All das macht die digitale PCR zu einer Grundlagentechnologie von breitem gesellschaftlichem Nutzen. Trotz vieler Erkenntnisse, die wir durch die molekularbiologische Forschung in den letzten Jahren gewonnen haben, ist es noch ein weiter Weg zu einer personalisierten Krebsmedizin. Wünschenswert wäre, dass jeder Patient die auf seinen Krebs abgestimmte Therapie bekommt. Neue Methoden wie die digitale PCR können diese Entwicklung beschleunigen. Erkenntnisse retrospektiver und aktueller Studien sollten vermehrt Eingang in die Klinik finden. Je empfindlicher mit diagnostischen Verfahren Krankheiten untersucht und Patienten unter Therapie begleitet werden können, desto besser werden Therapien wirksam eingesetzt oder zielgerichtet angepasst.  Der Weg zur Zell- und Gentherapie wird dadurch geebnet. Darüber hinaus gewährleistet die frühe und zuverlässige Erkennung von Krankheitsstadien wie z. B. bei Krebserkrankungen eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit von Therapien. Dies zeigt den enormen Nutzen, den Verfahren wie die digitale PCR für unser Gesundheitswesen haben.  

Weiterhin bieten sich damit im Abwassermonitoring Möglichkeiten, Infektionsereignisse durch SARS-CoV-2 oder andere relevante Erreger flächendeckend zu überwachen und die Verbreitung antibiotikaresistenter Keime systematisch zu erfassen. 

Die Autoren 

Dr. Peter Engel ist Mitarbeiter bei dem Unternehmen Bio-Rad Laboratories GmbH. Gerhard Hofer ist Mitarbeiter bei dem Unternehmen Qiagen GmbH. 

Neuveröffentlichung des Artikels aus der LSR-Imagebroschüre „Wir leben Forschung

 

Teil 8 von 12

Zukunftsthema Zell- und Gentherapie