Leben

Forschen in Norwegen: Wie eine studentische Biomol-Mitarbeiterin ihr dreimonatiges Forschungspraktikum erlebte

5 min Emily Locke

Emily Locke im norwegischen Labor. Bild: Emily Locke

Kaum ein Arbeitsfeld lebt so sehr vom internationalen Austausch wie die Forschung. Die Vernetzung und Zusammenarbeit von Forschenden aus der ganzen Welt sind essenziell für wissenschaftlichen Fortschritt. Insbesondere junge, angehende Wissenschaftler*innen sollten daher gefördert werden, Forschungsaufenthalte im Ausland zu absolvieren – denn so können sie nicht nur wichtige Kontakte für ihre spätere Karriere knüpfen, sondern haben darüber hinaus die Möglichkeit, ein fremdes Land zu erkunden sowie seine Kultur und Menschen kennenzulernen.

Die studentische Mitarbeiterin Emily vom Life-Science-Research-Unternehmen Biomol GmbH in Hamburg hat im Sommer 2023 solch eine Chance ergriffen und ist für ein spannendes Forschungspraktikum nach Norwegen gereist. Dort war sie Teil einer Gruppe der Universität Bergen, welche sich mit der zellulären Antwort auf Stress im Kontext von Altern und altersbedingten Krankheiten beschäftigt. Ihr knapp dreimonatiger Aufenthalt wurde von dem RISE Worldwide-Programm des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) unterstützt. Hier berichtet Emily von ihrem Forschungsprojekt sowie ihren Reisen und Erlebnissen im „Land der Fjorde“.

Idyllisch gelegen - Erste Eindrücke von Bergen

Bergen ist nach der Hauptstadt Oslo mit rund 270.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Norwegens – und meiner Meinung nach auch eine der Schönsten! Sie liegt geradezu idyllisch an der Westküste des Landes und wird nicht zu Unrecht als „Tor zu den Fjorden“ bezeichnet. Der Naturhafen mit dem Fischmarkt und der Bryggen bildet das Herzstück der Stadt. Bryggen (norwegisch für Landungsbrücke) ist ein Viertel, das aus alten Handelseinrichtungen der Hanse besteht. Es wurde 1979 von der UNESCO als Beispiel hanseatischer Baukunst in Norwegen zum Weltkulturerbe ernannt. Neben dem Hafenviertel prägen die umliegenden Berge das Bild der Stadt und laden zum Wandern oder – im Falle der sportlichen Norweger – eher zum Trailrunning ein.

Bergen ist auch als Syvfjellsbyen, also als „Stadt der sieben Hügel“, bekannt, wobei die genaue Anzahl umstritten ist. Ich habe während meines Aufenthalts jeden der sieben Berge bestiegen, die auch im Rahmen der vom norwegischen Wanderverein jährlich veranstalteten 7-fjellsturen (7-Hügel-Tour) erwandert werden. Darunter ist der Ulriken, welcher mit seinen stolzen 643 m der höchste der sieben Berge ist. Doch Bergen bietet nicht nur beeindruckende Natur, auch ein Spaziergang durch die kleinen Gassen der Stadt ist wärmstens zu empfehlen. An vielen Ecken finden sich süße Cafés, in denen sich gut eine Pause einlegen lässt – auf typisch norwegische Art natürlich mit einem Filterkaffee und einem frisch gebackenen Kanelboller!

Wie Zellen auf Stress reagieren und was Stressgranula sind

Doch genug von der Schönheit Bergens – immerhin war ich ja zum Forschen dort! Ich hatte die großartige Möglichkeit, in der Gruppe von Prof. Sushma-Nagaraja Grellscheid am Department of Biological Sciences der Universität Bergen mitzuarbeiten. Die Wissenschaftler*innen um Prof. Grellscheid interessieren sich für sogenannte biomolekulare Kondensate und dabei insbesondere für deren biophysikalischen Eigenschaften. Biomolekulare Kondensate sind Organellen, die keine Lipidmembranen besitzen. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist der Nucleolus, ein bestimmter Bereich im Zellkern, welcher als Ort der ribosomalen Biogenese dient. Die membranlosen Organellen bestehen aus Biomolekülen wie Proteinen und Nukleinsäuren und werden von Forschenden als flüssigähnliche Tröpfchen angesehen, die mit dem Zytoplasma koexistieren. Sie entstehen durch einen Prozess, der als liquid-liquid phase separation, oder kurz LLPS, bezeichnet wird. LLPS wird durch multivalente Interaktionen zwischen Proteinen und RNA hervorgerufen, welche den Übergang eines Proteins in eine andere Phase mit veränderten physiochemischen Eigenschaften fördern.

Wichtige Rolle beim Altern wahrscheinlich

Der Fokus meines Projekts lag auf einer bestimmten Art von biomolekularen Kondensaten, den sogenannten Stressgranula. Sie werden von der Zelle als Antwort auf externe Stressstimuli (bspw. Hitze, Nährstoffmangel, Giftstoffe oder eine Infektion mit Viren) gebildet und bestehen aus mRNA sowie einer großen Anzahl unterschiedlicher Proteine. Durch die Sequestrierung von mRNA in Stressgranula wird die Proteinbiosynthese heruntergefahren, wodurch Ressourcen eingespart werden. Obwohl die Kondensate für das normale Funktionieren der Zelle sowie für ihr Überleben unter suboptimalen Bedingungen essenziell sind, deuten jüngste Studien darauf hin, dass durch chronischen Stress entstehende persistente Stressgranula eine wichtige Rolle im Altern und in altersbedingten Krankheiten spielen. Dazu gehören neurodegenerative Störungen, wie die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) und die Frontotemporalte Demenz (FTD), sowie Krebs. Daher sind Forschende daran interessiert, die molekularen Mechanismen der Entstehung von Stressgranula und ihre biophysikalischen Eigenschaften besser zu verstehen.

Dies ist auch das Ziel der Gruppe um Prof. Grellscheid. In meinem Projekt ging es darum, zu untersuchen wie sich Stoffwechselwege im Alter verändern und wie sich dies auf die Formation von Stressgranula auswirkt. Ich habe mit einer U-2 OS-Zelllinie gearbeitet, die ein GFP-markiertes G3BP1-Protein enthält. G3BP1 ist eines der Proteine, die essenziell für die Bildung von Stressgranula sind. Durch die Fluoreszenzmarkierung ist es möglich, die Entstehung und Form der Granula mit dem Fluoreszenzmikroskop zu verfolgen. Um unsere Erkenntnisse auch im Kontext von altersbedingten Krankheiten interpretieren zu können, haben wir neben jungen, proliferierenden Zellen Seneszenz als Modell des Alterns genutzt. Für meine Experimente habe ich die Zellen mit Natriumarsenit behandelt, einer anorganischen Verbindung, die oxidativen Stress auslöst und so die Formation der Stressgranula initiiert. Meine Ergebnisse decken Unterschiede in der Stoffwechselregulation von Stressgranula in seneszenten Zellen auf.

Gestresste Zellen, entspannte Wissenschaftler*innen

Akademische Forschung in Deutschland hat den Ruf, oftmals mit vielen Überstunden, schlechter Bezahlung und Arbeiten am Wochenende verbunden zu sein. Norwegen hat mir gezeigt, dass es auch anders geht: Überstunden gibt es eher wenige, schon als Doktorand bekommt man ein angemessenes Gehalt und das Wochenende ist (wie es sich gehört) frei. Dies mag sicherlich nicht auf alle Stellen zutreffen, doch insgesamt hatte ich den Eindruck, dass man in dem nordischen Land als Forschender sehr viel besseren Arbeitsbedingungen begegnet als in Deutschland.

Wiederkehr im Sinn, nicht nur der Polarlichter wegen…

Dazu kommt natürlich, dass man sich in seiner Freizeit unglaublich gut in der Natur erholen kann. Denn davon hat Norwegen wirklich mehr als genug zu bieten – wer also auf Outdoor-Aktivitäten jeglicher Art steht, ist in dem skandinavischen Land super aufgehoben! Da ich sehr gerne wandern gehe, war Norwegen für mich ein Paradies: Nach der Arbeit konnte ich in Bergen einen der Hausberge besteigen und an den Wochenenden ging es dann auf größere Wanderungen in den umliegenden Nationalparks. Riesige Gletscher, schroffe Berge und tiefblaue Fjorde – die wilde Landschaft ist wirklich beeindruckend!  Im Winter kann man sogar mit etwas Glück in Bergen Polarlichter sehen. Ich habe dieses beeindruckende Naturschauspiel leider verpasst – ein Grund mehr, bald nach Norwegen zurückzukommen!

Die Autorin

Emily Locke ist studentische Mitarbeitern im LSR-Mitgliedsunternehmen Biomol GmbH. 
Dieser Artikel ist auch auf dem Biomol-Blog zu finden.