Kürzlich stellten Vertex Pharmaceuticals und CRISPR Therapeutics Casgevy oder Exa-Cel vor, eine neuartige Form der Gentherapie, die die Behandlung der Sichelzellkrankheit radikal verändern könnte. Im Anschluss an die Zulassung von Exa-Cel in Großbritannien wurde diese bahnbrechende Therapie vor kurzem auch in den USA zugelassen.
Was ist die Sichelzellkrankheit?
Die Sichelzellkrankheit ist eine erbliche Form von Anämie, die auf Mutationen im HBB-Gen zurückzuführen ist, das für die Beta-Globin-Untereinheit von Hämoglobin (HbA) kodiert, dem Protein, das für die Sauerstoffversorgung des Blutes verantwortlich ist. Diese Mutation führt zur Produktion einer abnormen Form von Hämoglobin (HbS), die den roten Blutkörperchen eine verlängerte oder sichelförmige Gestalt verleiht. Das behindert den normalen Blutfluss und führt dazu, dass kleine Blutgefäße verstopfen. Dies wiederum verursacht enorme Schmerzen und Komplikationen, einschließlich Organschäden, Schlaganfall, pulmonale Hypertonie, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und mehr. Unbehandelt kann die Sichelzellkrankheit Lähmungen und einen vorzeitigen Tod nach sich ziehen. Die Behandlungsmöglichkeiten sind begrenzt, wobei die Knochenmarktransplantation die einzige ist, die als potenziell wirksam betrachtet werden kann. Weitere Behandlungen umfassen das Medikament Hydroxyurea, das die fetale Hämoglobinproduktion erhöht, Bluttransfusionen und die akute Schmerzbehandlung. Heute leiden schätzungsweise 100.000 Menschen in den USA an der Sichelzellkrankheit.
Betroffene mit dieser Krankheit sehen sich häufig mit Hindernissen für eine einfühlsame und umfassende Gesundheitsversorgung konfrontiert. Das begrenzte soziale Bewusstsein kann oft zu Gefühlen der Entfremdung, Depression und Angst führen. Historische Ungleichheiten im Gesundheitsbereich und Rassismus in den USA haben dazu beigetragen, dass die Sichelzellkrankheit fälschlicherweise als eine Krankheit charakterisiert wird, die ausschließlich Afroamerikaner betrifft. Das führte zu einem Mangel an Investitionen in Forschung und Infrastruktur und verschärfte die Herausforderungen weiter, mit denen Patient:innen bereits bei der Suche nach qualitativ hochwertiger Versorgung konfrontiert sind. Diskriminierung stellt auch ein Problem für die Schmerzbehandlung dar. Der Schmerz wird nicht ernst genommen und der Betroffene als „drogensuchend“ abgestempelt - ein Problem, das durch die Opioid-Epidemie in den USA und die weit verbreitete Annahme eines begrenzten Ansatzes für die Schmerzbehandlung nach dem Motto "eine Größe passt für alle" noch verschärft wird.
Selbst im unwahrscheinlichen Fall, dass ein passender Spender gefunden wird und ein Patient oder eine Patientin eine Knochenmarktransplantation erhält, birgt das Verfahren das Risiko der Abstoßung, der Graft-versus-Host-Krankheit und anderer Komplikationen. Die zellbasierte Gentherapie für die Sichelzellkrankheit wurde als gezielte Lösung vorgeschlagen, die sich als wirksamer als die derzeitigen Therapien erweisen könnte. Dies ist nun durch die Anwendung des Genschere-Werkzeugs CRISPR möglich.
CRISPR-Gentechnik im Einsatz
Anfang Dezember 2023 erhielten zwei Gentherapien für die Sichelzellkrankheit die Zulassung in den Vereinigten Staaten: Lovotibeglogene Autotemcel (Lovo-Cel) von der Biotechnologiefirma Bluebird Bio und Exagamglogene Autotemcel (Exa-Cel) von Vertex Pharmaceuticals und CRISPR Therapeutics.
Lovo-Cel nutzt einen lentiviralen Vektor, um eine funktionierende Form des HBB-Gens in die eigenen Stammzellen eines Patienten einzuführen. Exa-Cel hingegen verwendet CRISPR, um BCL11A zu deaktivieren, ein Gen, das verhindert, dass der Körper fötales Hämoglobin (HbF) bildet. HbF ist nur während der fötalen Entwicklung vorhanden und wird effizienter mit Sauerstoff versorgt als adultes Hämoglobin, was dem Fötus ermöglicht, Sauerstoff aus dem mütterlichen Blut über die Plazenta aufzunehmen. Nach der Geburt wird HbF durch adultes Hämoglobin (HbA) ersetzt. Gibt es Probleme mit dem Gen, das für HbA kodiert, wie es bei Personen mit Sichelzellkrankheit der Fall ist, kann die Reaktivierung der Produktion von HbF die Sichelzellbildung verringern und damit die Symptome mildern.
Bei der Therapie mit Exa-Cel entnehmen Ärzte Knochenmarkstammzellen der behandelnden Person und verändern sie, um BCL11A zu deaktivieren (was die Produktion von HbF erleichtert). Danach entfernen sie das verbleibende unbehandelte Knochenmark und führen die veränderten Zellen wieder ein. Theoretisch können die modifizierten Zellen dann unendlich weiter HbF produzieren, so dass die Behandlung ein Leben lang anhalten könnte. In klinischen Studien berichteten 29 von 30 Studienteilnehmer:innen mit Sichelzellanämie, dass sie ein Jahr lang nach den Exa-Cel-Transfusionen keine Schmerzen mehr hatten. 39 von 42 Personen mit einer Form der Sichelzellkrankheit namens Beta-Thalassämie benötigten keine Bluttransfusionen oder Knochenmarktransplantationen mehr.
Vor- und Nachteile
Gentherapien wie Exa-Cel und Lovo-Cel könnten für Patient:innen mit Sichelzellkrankheit lebensverändernd sein, indem sie effektiv Schmerzen lindern und die Lebensqualität deutlich verbessern. Die Behandlung ist für Personen ab 12 Jahren zugelassen, was entscheidend sein kann, um irreversible Organ- und Knochenschäden frühzeitig zu verhindern. Die Kosten von bis zu 2 Millionen Dollar pro Patient:in sind jedoch für viele unbezahlbar und verhindern möglicherweise, dass un- oder unterversicherte Patient:innen eine potentiell lebensrettende Behandlung erhalten. Der Prozess erstreckt sich über Monate und ist zermürbend. Er umfasst umfangreiche Tests, Verfahren wie Chemotherapien und Bluttransfusionen sowie eine invasive Knochenmarktransplantation. Außerdem herrscht Ungewissheit über unvorhergesehene Langzeit- oder Off-Target-Effekte (unbeabsichtigte Veränderungen des Genoms), die bei Gen-Editing-Techniken immer möglich sind.
Alternative Therapien für die Sichelzellkrankheit
Eine bei einigen Blutkrebsarten übliche Behandlung, die so genannte haploidentische Transplantation, könnte eine Alternative sein. Dabei werden die Knochenmarkstammzellen eines Patienten durch die eines gesunden Elternteils oder Geschwisters ersetzt. In vielen Ländern, in denen die Sichelzellkrankheit am weitesten verbreitet ist, ist die medizinische Infrastruktur für gentherapeutische Behandlungen unzureichend, so dass die haploidentische Transplantation in diesen Ländern die bessere Alternative sein könnte. Auch für die Menschen in den USA, für die eine Gentherapie finanziell nicht tragbar ist, kann sie eine Alternative darstellen.
Hoffnungsschimmer für die Zukunft
Die Einführung neuartiger Gentherapien wie Exa-Cel und Lovo-Cel hat die Behandlung der Sichelzellkrankheit revolutioniert und gibt den Betroffenen die lang ersehnte Hoffnung. Diese Therapien versprechen eine deutliche Verringerung der Symptome und bieten das Potenzial für eine bessere Lebensqualität. Zugänglichkeit, Kosten und das Fehlen von Langzeitstudien sind Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt. Während Ärzte, Pharmaunternehmen und Versicherungsagenturen sich mit diesen Fragen auseinandersetzen, wird es unerlässlich sein, sich für eine umfassende Versorgung, ein größeres Bewusstsein und eine kontinuierliche Finanzierung einzusetzen, um sicherzustellen, dass diese bahnbrechenden Therapien für alle, die sie benötigen, zugänglich und sicher sind.
Quellen:
- Cheng, M. (2023) The world’s first gene therapy for sickle cell disease has been approved in Britain. AP News
- Ungar, L. (2023) A new cure for sickle cell disease may be coming. Health advisers will review it next week. AP News
- Stein, R. (2023) FDA advisers see no roadblocks for gene-editing treatment for sickle cell disease. NPR
- Park, A. (2023) FDA Approves First CRISPR Treatment in U.S.. Time
- Institute for Clinical and Economic Review (2023) Gene Therapies for Sickle Cell Disease.
- Reardon, S. (2023) FDA Approves First CRISPR Gene Editing Treatment for Sickle Cell Disease. Scientific American