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Ist die Mikrobiomforschung das nächste große Ding der Diagnostik?

3 min Carolin Schächterle

Die Mikrobiomforschung hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen, sowohl in der Grundlagenforschung als auch in der medizinischen Diagnostik und Therapie.

Als Mikrobiom bezeichnet man die Gesamtheit aller Mikroorganismen, die auf und im menschlichen Körper existieren. Diese komplexe Gemeinschaft lebt mit ihrer Wirtsumgebung in Symbiose und ist am Wohlbefinden des ganzen Organismus maßgeblich beteiligt. Diese Koexistenz ist dabei nicht auf den Menschen beschränkt, sie betrifft praktisch alle vielzelligen Lebensformen von Tieren und Pflanzen. So haben Veränderungen des Mikrobioms auch einen Einfluss auf Ökosysteme, die beispielsweise für die Landwirtschaft relevant sind.

Forschungserkenntnisse der letzten Jahre haben gezeigt, dass die Zusammensetzung der verschiedenen Arten von Mikroorganismen des menschlichen Mikrobioms einen erheblichen Einfluss auf die Gesundheit oder auch auf den Verlauf, die Prognose und die Therapieeffizienz verschiedenster Krankheiten haben können. Dabei ist zum heutigen Zeitpunkt noch nicht gänzlich geklärt, inwieweit die Veränderungen des Mikrobioms die Folge äußerer Einflüsse, wie Ernährung oder Umweltfaktoren, darstellen oder tatsächlich kausal verantwortlich für die Entstehung und den Verlauf verschiedener Krankheiten sind.

Kleiner Exkurs: Das Mikrobiom des menschlichen Darms

So berichtet beispielsweise das Bundeszentrum für Ernährung (BZfE), das zur Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) gehört, im Februar 2023 über das Mikrobiom des menschlichen Darms in Auszügen Folgendes: „Der Darm ist nicht nur ein Verdauungsorgan, sondern auch ein Lebensraum für eine sehr große Anzahl an Mikroorganismen. Ihre Gesamtheit wird als Darmmikrobiota bezeichnet, früher Darmflora. Vor allem der Dickdarm beherbergt extrem viele Bewohner – schätzungsweise 100 Billionen.“ Diese Masse an Bakterien - ungefähr zwei Kilogramm – setze sich aus etwa 1000 bis 2000 verschiedene Bakterienarten zusammen.

„Rund 300 davon befinden sich bei jedem Menschen, wobei sich das Muster individuell unterscheidet und auch als mikrobieller Fingerabdruck bezeichnet wird.“ Je vielfältiger sich die Mikrobiota zusammensetze, desto stabiler und widerstandsfähiger gegenüber Störungen sei sie. „Die Darmbewohner bilden zahlreiche nützliche, aber auch schädliche Substanzen sowie Botenstoffe. Sie beeinflussen nicht nur den Darm, sondern auch unseren Stoffwechsel und unsere Organe – sogar das Gehirn. Das wirkt sich auf die Gesundheit bzw. die Entstehung und das Fortschreiten von Erkrankungen aus.“

Sinn und Nutzen einer tiefergehenden Erforschung allein dieses speziellen Mikrobioms erschließt sich nahezu von selbst, zumal industriell verarbeitete Lebensmittel – die mittlerweile fast 50 Prozent unserer Nahrung ausmachen – im Verdacht stehen, die Diversität der Darmmikrobiota radikal einzuschränken.

Kleine Wesen, große Wirkung

Es ist inzwischen belegt, dass eine Vielzahl von Erkrankungen wie Diabetes, Adipositas oder Autoimmunerkrankungen wie Morbus Crohn durch das Mikrobiom beeinflusst werden. Auch im Bereich Onkologie gewinnt die Forschung am Tumormikrobiom an Bedeutung. Neue Studien legen ebenfalls einen Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen wie Depressionen nahe. Vor diesem Hintergrund ist es nicht überraschend, dass die Forschung in diesem Gebiet erheblich zugenommen hat. Die Anzahl der wissenschaftlichen Publikationen zum Thema Mikrobiom verdoppelt sich nahezu jährlich.

Die für die Forschung eingesetzten Technologien sind prinzipiell Reagenzien und Geräte, wie sie auch in anderen Bereichen der Molekularbiologie verwendet werden. Diese beinhalten Produkte für die Aufbewahrung und Stabilisierung der Proben, die Isolierung der mikrobiellen Nukleinsäuren und die anschließende Analyse der Art und ihrer Repräsentanz im Mikrobiom. Dabei kommen maßgeblich PCR-, oder Next-Generation-Sequencing (NGS)-Technologien zum Einsatz sowie dezidierte Bioinformatik-Lösungen zur Analyse der erhaltenen Resultate.

Zu den speziellen Herausforderungen der Mikrobiomforschung gehört die Probennahme. Eine sofortige Stabilisierung ist von essenzieller Bedeutung für die Analytik, um eine unverfälschte Momentaufnahme des Mikrobioms zu erhalten. Die unterschiedlichen Probenarten und Umgebungseigenschaften von Haut- bis Stuhlmikrobiom erfordern spezielle Protokolle, um den Eigenschaften des jeweiligen Probentyps gerecht zu werden. Beispielsweise Stuhlproben beinhalten oft Begleitstoffe, die eine hochspezialisierte Behandlung vor der eigentlichen Analyse erfordern. Ein hohes Maß an Zuverlässigkeit und Reproduzierbarkeit der hierfür eingesetzten speziellen Produkte ist dabei eine Grundvoraussetzung, die gewährleistet, dass Daten, welche einzelne Arbeitsgruppen weltweit generieren, auch global verglichen und validiert werden können.

Fazit

Die Mikrobiomforschung ist noch in einer frühen Phase, aber bereits jetzt ist das erhebliche Potenzial der Erkenntnisse für die medizinische Diagnostik und Therapie einer Vielzahl von Erkrankungen absehbar. Daher ist bereits heute eine weltweit deutliche Zunahme der Finanzierung durch die entsprechenden öffentlichen Institutionen sowie privater Investoren zu beobachten.

Die Autoren

Karin Reukauf ist Mitarbeiterin bei Zymo Research Europe GmbH.

Gerhard Hofer ist Mitarbeiter bei Qiagen GmbH

 

Ergänzte Neuveröffentlichung des Artikels aus der LSR-Imagebroschüre „Wir leben Forschung“.